2013/11/03

Stand meiner Forschung

Wie findet man ein Forschungsthema und gelangt zu der Idee, über den Einfluss der EU auf die Demokratisierung in Rumänien zu schreiben? 

In meinem Fall war es das Kennenlernen der Theorie der "Defekten Demokratie" und ihrem zugrunde liegenden Konzept der "embedded democracy" von Wolfgang Merkel. Eines seiner Analysebeispiele war Rumänien Anfang der 1990er Jahre und ich fragte mich, inwiefern seine Bewertung Rumäniens auch auf die heutige Situation zutrifft: Immerhin ist das Land ja inzwischen Mitgliedsland in der selbstdeklarierten Wertegemeinschaft rechtstaatlicher Demokratien, der Europäische Union. 

Dieses Thema fand ich so spannend, dass ich in Zusammenarbeit mit einer weiteren Studentin der Andrássy Universität im Wintersemester 2012/13 bereits eine Hausarbeit darüber verfasste. In meiner Masterarbeit werde ich nun dieses Thema aufgreifen, vertiefen, ergänzen und ausbauen. 

Um jedoch einen Einblick darin zu geben, zu welchen Ergebnissen wir/ich bisher gekommen sind/bin und worin Ansatzpunkte meiner fortführenden Forschung liegen, habe ich die angesprochene Seminararbeit zusammengefasst. Der aktuelle Stand meiner Forschung, nach dem Jump:


"Defekte Demokratie? Die demokratische Konsolidierung Rumäniens im Kontext der Europäischen Union" 
(Zusammenfassung)

Rumänien kommt auch zwanzig Jahre nach Beginn seines Transformationsprozess 1989 nicht aus den Negativschlagzeilen heraus. Trotz neuer Verfassung, korrekten Gründungswahlen und Etablierung eines demokratisch verfassten Regierungssystems wurde das Land bereits zu Beginn der 1990er Jahre zur Defekten Demokratie erklärt. Auch fünf Jahre nach Beitritt zur Europäischen Union sieht sich das Land stetiger Kritik ob seiner Politik und der Qualität seiner Demokratie ausgesetzt, welche durch die Regierungs- bzw. Staatskrise 2012 zusätzlichen Auftrieb erhielt. Dabei hatte der Beitrittsprozess Rumäniens zur Europäischen Union einst Hoffnungen geweckt, die dazu erforderlichen Anpassungen würden zu einem Rückgang oder Verschwinden der festgestellen Defekte führen – nicht zuletzt, da sich die EU explizit als Wertegemeinschaft rechtsstaatlicher, liberaler Demokratien versteht.

Die Frage, inwiefern die junge Demokratie Rumäniens sich im Verlauf und mithilfe des EU-Beitritts des Landes konsolidiert und in diesem Sinne veränderte bzw. ‚verbesserte‘,  hat die vorliegende Hausarbeit zu ergründen versucht. Anknüpfend an die Theorie der Defekten Demokratie und des diesem zugrunde liegenden Modells der embedded democracy von Wolfgang Merkel wurde ein zeitlicher Vergleich des politischen Systems Rumäniens vor, während und nach seines EU-Beitrittsprozesses vorgenommen.

Die notwendige Voraussetzung für einen Einfluss auf die rumänische Demokratie seitens der EU im Modell Merkels war die Kompatibilität der beiden Kriterienkataloge, d.h. jenem der embedded democracy einer- und den Beitrittsbedingungen der EU andererseits. Diese Vergleichbarkeit konnte sowohl theoretisch nachgewiesen als auch im Vergleich mit den in den Fortschrittsberichten der Europäischen Kommission genannten Kritikpunkten bestätigt werden. Danach folgte die ausführliche Analyse der rumänischen Demokratie vor, im Prozess und nach seinem Eintritt in die Europäische Union, die Folgendes ergab: 

a)    Rumäniens Demokratie vor Beginn seines Beitrittsprozesses zur EU war defekt, es stand aber zu erwarten, dass sie sich durch die zu erfüllenden Anforderungen der EU an eine Mitgliedschaft konsolidiert bzw. zumindest ihre Defekte minimiert.
 
b)    Der Beitrittsprozesse hatte tatsächlich einen konsolidierenden und korrigierenden Effekt auf die rumänische Demokratie, welche jedoch im Vergleich zu den wirtschaftlichen Veränderungen und Aspekten des Prozesses zurückblieb. Rumänien hat die schwerwiegenden Defekte seines Systems abgestreift, kann aber auch nach seinem EU-Beitritt nicht als voll funktionsfähige Demokratie angesehen werden.
 
c)    Die Staatskrise 2012 kann als Versuch angesehen werden, die Logik der Gewaltenkontrolle im demokratischen System Rumäniens zu untergraben. Verfestigt sich dieser Konflikt, ist die Situation geeignet, erneut einen gravierenden Defekt im Teilregime D – der horizontalen Gewaltenkontrolle – darzustellen.
 
d)    Das Hauptproblem des gesamten gesellschaftlichen und politischen Systems Rumäniens bleibt unserer Ansicht nach die weitverbreitete Korruption im Land.

Inbesondere der letzte Punkt hat sich in Bezug auf Rumänien und dem Verständnis seiner Demokratie als äußerst bedeutend erwiesen. Es ist dem alles durchdringenden Charakter der Korruption geschuldet, dass nach Abschluss der Analyse die Frage gestellt werden musste, ob diese analytisch mit der Theorie der Defekten Demokratie tatsächlich greifbar ist. Da sie alle Teilregime der embedded democracy betrifft, setzt sie in gewisserweise auch die Logik einer Untersuchung getrennt nach verschiedenen Teilbereichen außer Kraft.

Es müssen für mögliche weiterführende, zukünftige Analysen also auch andere Erklärungskonzepte zurate gezogen werden, für die in dieser Arbeit leider kein Raum war: Stichwort ist hier der Konsolidierungsprozess der rumänischen Demokratie und die Frage, inwieweit dieser fortgeschritten ist bzw. durch das Demokratie gefährdende Verhalten der politischen Eliten und das Fortbestehen klientelistischer Verbindungen aus der Zeit vor 1989 behindert wird. Zu klären ist auch, inwiefern die Europäische Union und ihr formelles Recht zur Intervention bei Verstößen gegen ihre Grundwerte geeignet sind, auch weiterhin einen positiven Effekt auf die rumänische Demokratie zu erzielen.

Für die vorgelegte Arbeit bleibt festzuhalten, dass Rumänien trotz teilweiser Bestätigung der These nicht als konsolidierte Demokratie im Sinne der zugrunde gelegten Theorie ansehen werden kann; tatsächlich läuft das Land Gefahr, rückläufige Entwicklungen zu den positiven Errungenschaften besonders der Jahre von 1996 bis 2007 zu durchlaufen und erneut eine Defekte Demokratie zu werden.

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